Wir alle haben im Lauf unseres Lebens gelernt, dass kleine und große, private und globale Krisen unvermeidbar zum Leben dazugehören.
Mehr noch: Uns wird seit Jahr und Tag versprochen, ja fast schon gepredigt, dass Krisen große Möglichkeiten sind, um zu wachsen und uns selbst oder unser Umfeld zum Positiven zu verändern.
Vielleicht hast auch du bereits die ein oder andere Krise überwunden und weißt so prinzipiell sogar aus eigener Hand, dass an diesem Versprechen in den allermeisten Fällen auch tatsächlich etwas dran ist.
Und doch: Wir fürchten uns alle immer wieder aufs Neue vor Krisen, wie z.B. Trennungen.
Denn auch wenn immer wieder gern von der „Krise als Chance“ gesprochen wird, sind Krisen in erster Linie das, was sie nun einmal sind: nämlich Krisen. Und diese bringen jede Menge unangenehme Gefühle wie Angst, Verzweiflung, Ohnmacht und Wut mit sich.
Vielleicht steckst auch du gerade in einer Krise und fragst du dich, was du tun kannst, um möglichst schnell und unbeschadet aus deiner Krise herauszufinden.
Vielleicht kann ich dich ein wenig dabei unterstützen. Als Beraterin und Coachin gehören die Thema Lebens- und Liebenskrisen zu meinem täglich Brot. Ich zeige dir, wie diese entstehen, welche Phasen sie durchlaufen und was du aktiv tun kannst, um den Weg aus der Krise zu finden.
Wie Krisen entstehen
Am Anfang einer Krise steht fast immer eine Veränderung, die in unser Leben tritt und unser gewohntes Leben durcheinanderwirbelt und (ver)stört – Lottogewinne, das Erscheinen der großen Liebe o.ä. einmal ausgenommen ;-).
Veränderungen – insbesondere unfreiwillige – haben es so an sich, dass sie für die meisten Menschen beängstigend sind, denn sie wühlen jede Menge Gefühle auf. So werden wir z.B. unsicher, fürchten uns und sind traurig oder wütend.
Wenn du schon einmal Knall auf Fall verlassen wurdest, du entdeckt hast, dass deine Partner*in dich hintergangen hat oder dein Chef dich von heute auf morgen in ein neues Team versetzt hat, weißt du vermutlich, wovon ich rede.
Veränderung und Krise
Führt nun also jede Veränderung automatisch in eine Krise?
Aus eigener Erfahrung wirst du wissen: Ganz so dramatisch ist es nicht. Belastende Krisen entstehen zumeist erst dann, wenn man im „Verdauungsprozess“ steckenbleibt.
Vielleicht kommt dir folgendes Beispiel bekannt vor:
In deiner Beziehung haben sich grundlegende Dinge zu deinem Nachteil verändert (Streit, Lieblosigkeit, mangelnde Sexualität, Nebeneinanderherleben, … ) und du hast über Jahre versucht, deine Partnerschaft zu kitten.
Dein Kopf weiß längst, was zu tun wäre – nämlich sich zu trennen. Aber das Herz kann oder will einfach nicht das fühlen, was der Verstand längst weiß.
Und so verharrst du – möglicherweise auch über Jahre hinweg – in deiner jetzigen Situation und gerätst somit früher oder später in eine Lebenskrise.
Wie Krisen verlaufen: Die 7 Phasen der Veränderung
Wenn Krisen im Rahmen von Veränderungen entstehen, stellt sich die Frage, wie Veränderungsprozesse in der Regel vonstatten gehen.
Richard K. Streich liefert hierfür ein schönes Modell, das m.E. eine sinnvolle Ergänzung zu ähnlichen Modellen, wie z.B. den Trauerphasen von Kübler- Ross oder den Phasen der gesellschaftlichen Veränderung von Lewin, darstellt.
Selbstverständlich handelt es sich bei diesem Modell um einen atypischen Verlauf. Es ist nicht als Diagnosekatalog zu betrachten, sondern als Orientierungshilfe.
Für die meisten meiner Kund*innen ist es erleichternd und hilfreich, sich in eine von Streichs Phasen einzuordnen.
Probiere es doch einfach einmal aus!
Beispiel: Plötzliche Trennung vom Partner
Phase 1: Der Schock
Der Schock zeichnet sich durch eine große Differenz zwischen eigener Erwartung und eingetroffener Realität aus. Die eigene wahrgenommene Kompetenz, das Geschehen beeinflussen zu können, läuft gen Null. Sprich:
Du kommst abends nach Hause. Auf dem Tisch liegt ein Zettel: „Ich bin ausgezogen. Es tut mir leid.“ Du läufst fassungslos umher, blickst in den Kleiderschrank. Der Schrank ist leer. Dein Herz bleibt stehen. Du bist fassungslos und wie eingefroren.
Phase 2: Die Verneinung
Die wahrgenommene eigene Kompetenz steigt nach dem Schock wieder ein wenig an. Du bist abgeschnitten von deinen Gefühlen und machst wie eine Art Roboter einfach das, was du jeden Abend tust. Ganz so, als wäre nichts geschenen.
Du isst Abendbrot, setzt dich noch einmal an den Laptop oder den Fernseher, gehst zum Sport… ganz nach dem Motto: „Er/sie wird schon wieder kommen. Das ist doch nur ein Scherz.“
Phase 3: Die rationale Einsicht
Nach einiger Zeit (wie viel Zeit vergeht, ist dabei sehr individuell) beginnst du zu verstehen, dass deine Partner*in tatsächlich weg ist und nicht wieder kommt.
Du sammelst nun jede Menge rationale Gründe, warum es sogar gut ist, dass er/sie endlich weg ist.
Du stürzt dich in Aktionismus. Der Garten muss umgegraben werden, die nächste Party wartet, du meldest dich siegessicher bei Tinder an etc.
Du denkst, du bist der erste und einzige Mensch, der Liebeskummer ohne das Tal der Tränen übersteht.
Phase 4: Die emotionale Akzeptanz
Während du in deinem Beet oder in der vierten langweiligen Verabredung sitzt, schießen dir plötzlich die Tränen in die Augen.
Die eigentliche Trauerarbeit beginnt und du fängst an, Abschied zu nehmen. Du igelst dich (tatsächlich oder sinnbildlich) ein, weinst viel, wütest vor dich hin o.ä.
In dieser Phase hast du das Gefühl, keinerlei Möglichkeit zu besitzen, die Situation steuern oder aktiv verbessern zu können. Für fast alle Menschen ist dies die schlimmste Phase.
Phase 5: Ausprobieren
Langsam aber sicher rücken Abschiedsschmerz, Wut und andere negative Gefühle in den Hintergrund. Du kommst vermehrt wieder zu Kräften.
Du schaust dich erstmals wieder in der Welt um und probierst vielleicht Dinge aus, die du schon immer ausprobieren wolltest, es aber deiner Partner*in zu Liebe nie getan hast.
Möglicherweise übst du dich langsam aber sicher wieder im ernsthaften Flirten. Vielleicht färbst du dir die Haare oder legst dir eine Kurzhaarfrisur zu.
Phase 6: Erkenntnis
Nach jedem Ausprobieren wägst du ab: Erfolgsmodell oder Rückschlag.
Du lernst neue Dinge über dich, bekommst positive oder negative Rückmeldungen vom Außen. So wurstelst du dich langsam durch und entwickelst einen neuen Selbst- und/oder Lebensentwurf.
Phase 7: Integration
Du integrierst deine Erkenntnisse über dich, deine Ex-Partner*in und die Beziehung als solche mehr und mehr in deinen Alltag.
Die Krise wird in der Rückschau im besten Fall als Wachstumsphase und Chance, zumindest aber als überlebbar, reflektiert.
Wie du Krisen noch besser überstehest: 7 Tipps
#1 Selbstliebe ist in der Krise wichtiger denn je
Am härtesten trifft es uns, wenn die emotionale Akzeptanz eintrifft. Hier ist die empfundene eigene Handlungskompetenz am niedrigsten. Du fühlst dich ohnmächtig und hilflos.
Viele Menschen neigen in dieser Phase dazu, sich für ihr Leid zu verurteilen und sich quasi „selbst noch zusätzlich eins auf den Deckel zu geben“. Versuche alles, um dies irgendwie zu vermeiden!
Du darfst traurig sein und mit deinem Leben hadern. Hab dich lieb! Tu dir Gutes – zu viel gibt es nicht.
Schaue hierzu auch gern auf meinem Selbstliebe-Beitrag vorbei.
#2 Lass dich nicht von Verneinungsschleifen austricksen
Ebensowenig, wie es gut ist, auf ewig in Trauer, Wut und Selbstvorwürfen zu verharren, ist es hilfreich, in Verneinungsschleifen zu leben.
Diese sind zwar ein gern gesehener Helfer, um die eigenen Gefühle zu verbuddeln, stellen aber auf Dauer leider ein Steckenbleiben in der „Verneinungsphase“ dar.
So hinderst du die Schleifen daran, den Veränderungsprozess irgendwann einmal hinter dich bringen zu können. Wenn du so willst, bist du verdammt, für den Rest deines Lebens in blindem Aktionismus zu leben.
Häufig kommt es zu solche „Verneinungsschleifen“ übrigens bspw. in toxischen Beziehungen. Das Leid wird kleingeredet oder gar verdrängt. Die Realität wird verzerrt. „Es ist doch gar nichts.“
#3 Erinnere dich an überstandene Krisen
Suche Trost oder Antrieb darin, dass du bereits andere Krisen gemeistert hast. Vielleicht kann es dir helfen, dir aufzuschreiben, wie du damals welche Phase erlebt und durchgestanden hast.
Versuch die Vogelperspektive einzunehmen:
In welcher der 7 Phasen befindest du dich aktuell? Was hat damals in dieser Phase geholfen? Könnte dies auch heute helfen und wenn ja – wie kannst du die benötigten Ressourcen reaktivieren?
#4 Kein Gefühl kann ewig dauern
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen: Gefühle kommen und gehen. Unser Gehirn traut uns nur gerade so viel zu, wie wir stemmen können, und dann gönnt es uns auch wieder eine Pause.
Wenn der Schmerz dich gerade komplett überwältigt, weil du in der emotionalen Verarbeitungsphase bist, versuche in den ganz dunklen Stunden an Folgendes zu denken:
Nach spätestens 30 Minuten lässt der schlimmste Schmerz für eine Weile wieder nach. Probier es aus.
Starre, wenn es sein muss, auf die Uhr und zähle die Minuten. Glaube mir, du kannst dich auf dein Gehirn verlassen.
Nutze dieses Wissen, um kleinschrittig zu denken! Vergiss das Morgen. Denke zunächst nur an die nächste Stunde.
#5 Such dir Gleichgesinnte
Du hast gerade deine (vermeintlich?) große Liebe verloren? Dann darfst du zur Ziet Pärchen meiden.
Umgib dich eine Weile mit Menschen, denen es ähnlich ergeht wie dir.
Heult und schimpft gemeinsam! Es kann sehr heilsam sein, nicht allein mit seinem Kummer zu sein.
#6 Nutz gute Momente für Visionen und Zukunftspläne
So schlecht es dir auch gehen mag, selbst in der tiefsten Verzweiflung gibt es winzige helle Momente. Versuche, diese zu erwischen und wieder auszunutzen – seien sie auch noch so klein!
Miste dein Haus oder deine Wohnung aus. Trenn dich von unnötigem Ballast und komme wieder in winzigen Schritten in Bewegung.
Lähmung tut dem Menschen nicht gut. Egal, was du tust, tu irgendetwas!
Schaffe dir Visionen. Träume. Gönn deiem Gehirn positiven Input und versuche alles, um dich wieder handlungswirksam fühlen zu können.
Vielleicht kann dir an dieser Stelle auch mein Beitrag Erfolgreiches Selbstcoaching – In 6 Schritten zum Erfolg weiterhelfen.
#7 Vertrau dir und schau dich nicht um
Um eine Krise zu überwinden, gibt es nicht den einzig wahren Weg.
Der eine braucht eine lange Verneinungsphase. Der nächste trauert länger als der Durchschnitt. Wieder jemand anders durchläuft die Phasen blitzschnell und hat bspw. schon nach 2 Wochen eine neue Partner*in.
Schaue möglichst wenig nach links und rechts, lass dich trösten, aber nicht verunsichern. Niemand kennt dich besser als du selbst. Vertraue dir und deinem Weg.
Und wenn es gar nicht weiter geht, dann scheue dich nicht, dir Hilfe im Außen zu suchen.
Was sind Deine Erfahrungen mit Krisen? Was hast Du getan, um Deine Krise zu meistern? Ich freue mich über weitere Tipps in den Kommentaren.
Quelle: 7 Phasen der Veränderung (Richard K. Streich): Richard K. Streich: Fit for Leadership. Führungserfolg durch Führungspersönlichkeit, 2. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 2016, S.24.