Nähe in Langzeitbeziehungen Lesezeit ca. 7 Minuten

Jeder, der schon einmal eine lange Beziehung hatte oder der aktuell in einer lebt, weiß nur zu gut: Langzeitbeziehungen haben so ihre Tücken.

Wenn die Verliebtheit der Liebe (dem Alltag) weicht, kommt es nicht selten zu Enttäuschungen, Langeweile, sexueller Frustration und/oder einer schleichenden Distanz, die irgendwann nur noch schwer zu überwinden ist.

Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal dabei ertappt, wie Sie im Restaurant neidisch zum frisch verliebten Pärchen hinüberschielen? Und Sie fragen sich: Habe ich das Richtige getan? Hätte ich mich damals lieber für Michael entscheiden sollen? Und warum ist eigentlich alles so anders, seit Marie und ich Eltern sind?

Langzeitbeziehungen sind im Prinzip ein ewiges Dilemma: Verlieben wir uns, ist unser größtes Ziel, schnellstmöglich viel Nähe aufzubauen, den anderen in- und auswendig zu kennen und für immer mit der oder dem Angebeteten zusammen zu sein (genau dieses Ziel verfolgt übrigens höchstwahrscheinlich auch das verliebte Pärchen im Restaurant). Haben wir dies dann erreicht, stellen wir fest: Das ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei.

Wie kann es Ihnen gelingen, einen Umgang mit diesem Dilemma zu finden? Wie können Sie zu den Menschen gehören, die eine glückliche Langzeitbeziehung führen? In meinem Beitrag gebe ich Ihnen fünf Tipps aus meinem Coachingalltag, die Ihnen dabei helfen können, eines der Pärchen zu sein, die glücklich und zufrieden bis an das Ende ihrer Tage zusammenleben.

Wie Langzeitbeziehungen gelingen können

Beziehungen sind komplex und individuell. Pauschale Tipps sind daher nur schwer zu geben. Mehr noch: Sie sind aus meiner Sicht schlicht falsch. Denn Sie und nur Sie kennen sich und Ihre Beziehung besser als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Und nur Sie wissen, was Sie sich wünschen, was Sie brauchen und was für Sie hilfreich sein könnte.

Daher gleich ein kleiner Tipp vorweg:

Lassen Sie sich nicht verunsichern von dem, was gemeinhin als richtige oder falsche Beziehung gesehen wird

Beziehungen sind kein Wettbewerb, in dem es bessere und schlechtere Paare gibt. Definieren Sie für sich selbst, was für Sie eine gute Beziehung ist. Picken Sie sich das heraus, was Ihnen hilfreich erscheint und ignorieren Sie den Rest. Das gilt übrigens nicht nur für die hier aufgeführten Tipps.

#1 Glück oder Unglück!? Sie entscheiden selbst

33 Prozent aller Ehen werden geschieden. Einen solchen oder einen ähnlichen Header haben Sie vielleicht schon einmal gelesen. Erschreckend mag man im ersten Moment denken. Doch was heißt das eigentlich im Umkehrschluss?

Richtig: Ganze zwei Drittel aller Ehen haben Bestand!

glückliche Langzeitbeziehungen

Wir haben einen großen Einfluss darauf, aus welchem Blickwinkel wir auf unser Leben schauen. Natürlich können Sie an Ihrem Konstrukt einer perfekten Beziehung festhalten und Ihre Beziehung jeden Tag aufs Neue hinterfragen, weil Ihr Partner der gewünschten Perfektion nicht entspricht.

Oder: Sie ändern nicht Ihren Partner, sondern Ihre Perspektive

Schauen Sie Ihren Partner/Ihre Partnerin ganz bewusst wohlwollend an! Fragen Sie sich, was toll an ihm oder ihr ist, nicht was sie stört! Fragen Sie sich, was Sie verbindet, nicht was sie trennt!

Wenn Sie Lust dazu haben, machen Sie eine Liste! Schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt. Und dann stellen Sie doch einmal die kleinen alltäglichen Nörgeleien ein und machen stattdessen bewusst kleine Komplimente.

Verändern Sie Ihr eigenes Verhalten und Sie werden merken: Ihr Partner wird seines auch verändern.

#2: Bleiben Sie als Eltern ein Paar

Höchstwahrscheinlich haben Sie Kinder. Dann haben Sie eine ganz besondere Herausforderung zu meistern: Sie müssen Ihre Aufgaben sowohl im System Partnerschaft als auch im System Eltern erfüllen.

Gerade in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes bleibt die Paarbeziehung zumeist naturgemäß auf der Strecke. Später ist es dann häufig schwierig, den Anschluss wieder herzustellen. Bemühen Sie sich daher, den Anschluss erst gar nicht zu verlieren.

Langzeitbeziehungen mit Kindern

Versuchen Sie, sich jeden Tag aufs Neue bewusst zu machen, dass Ihre Paarbeziehung ein wichtiger Grundpfeiler in Ihrem Leben ist, der (auch) gepflegt werden will. Denn: Wenn Ihr Paar-Sein dauerhaft nicht funktioniert, zerbricht auch das Familiensystem (höchtwahrscheinlich) irgendwann.

Pflegen Sie Ihre Paarbeziehung

Überlegen Sie gemeinsam, wie die Pflege Ihrer Paarbeziehung aussehen kann. Was brauchen Sie? Was ist realistisch umsetzbar?

Behalten Sie bspw. Paarrituale bei, die es vor den Kindern gab. Küssen Sie sich, wenn Sie abends aufeinandertreffen. Schaffen Sie Zeitfenster, in denen Sie einmal nicht über die Kinder sprechen. Verlassen Sie gemeinsam Ihre Komfortzone usw.

#3 Konflikte sind Ihr Freund und nicht Ihr Feind

Häufig erlebe ich in meiner Beratung, dass Paare Streit in der Beziehung als Defizit wahrnehmen. Ganz nach dem Motto: Wer wirklich zueinander passt, der hat auch keine Konfiltherde.

Diese Sicht ist zunächst sehr nachvollziehbar, denn Konflikte sind für beide Seiten anstrengend und unangenehm. Und doch bringen Sie – konstruktiv ausgetragen – fast immer eine wichtige und nötige Portion Weiterentwicklung mit sich.

Entschuldigen können

Es geht nicht zwangsläufig darum, dass Sie regelmäßig Teller an die Wand pfeffern (wobei auch das völlig in Ordnung ist, wenn Sie der Typ dazu sind 😉 ). Es geht vielmehr darum, dass Sie sich regelmäßig zu verstehen geben, was Sie stört und was Sie sich anders wünschen.

Insbesondere Frauen denken häufig: Wenn er mich liebt, dann weiß er auch, was ich mir wünsche. Vielleicht sollte es eher heißen: Wenn er mich liebt, ist er bereit, etwas von dem zu tun, was ich mir von ihm wünsche.

Konflikte zeigen: Ich habe Interesse an uns

Glückliche Langzeitbeziehungen bestehen aus einer gesunden Mischung aus Wachsen und Anpassen. Wenn Sie dauerhaft Konflikte meiden, verlieren Sie sich und/oder Ihr Gegenüber und seine Bedürfnisse auf Kurz oder Lang aus dem Blick.

Buch Felber toxische Beziehungen
Wie viel Konflikt ist (noch) gesund, wie viel (schon) toxisch?

Langzeitbeziehungen sind nicht nur romantische Dauerparties (auch wenn Disney uns dies schon früh verkaufen will). Sie sind auch langfristige „Geschäftsbeziehungen“, in denen es immer wieder aufs Neue um Kompromissfindung geht. Tun Sie daher, was Sie auch mit einem Geschäftspartner tun würden: Streiten Sie, verhandeln Sie, stecken Sie ab, welche Wege gangbar sind und welche nicht etc.

Ob Sie dies lieber lautstark und emotional oder ruhig und sachlich tun möchten, bleibt dabei ganz Ihnen überlassen.

#4 Let`s talk about Sex

Das Thema Sex kommt in Langzeitbeziehungen (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel) früher oder später immer auf den Tisch. Ob nun zu wenig, zu routiniert oder zu leidenschaftslos: Mindestens einer von beiden ist irgendwann nicht mehr zufrieden mit der gemeinsamen Sexualität.

Langzeitbeziehungen Sexualität

Sie tun demnach immer gut daran, dass Thema Sex nicht komplett unter den Teppich zu kehren. Das raten auch diverse Ratgeber, in denen dann die klassischen Tipps à la „Schauen Sie gemeinsam einen Porno, werfen Sie sich in sexy Unterwäsche, verabreden Sie sich wöchentlich zu einem Sex-Date“ usw. zu finden sind.

Diese Tipps sind schön und gut, aber Sie werden Ihrem Sexleben dauerhaft nichts nützen, wenn Sie es nicht schaffen, außerhalb von Sexualität Nähe und Intimität aufzubauen.

Nähe und Intimität im Alltag sind die Basis für guten Sex

Bevor Sie also versuchen, Ihr Sexleben mit allerlei ausgefallenen Praktiken anzukurbeln, kann es hilfreich sein, für mehr Nähe und Intimität im Alltag zu sorgen.

Berühren Sie sich, küssen Sie sich, schauen Sie sich beim Reden in die Augen, zeigen Sie ernstes Interesse, fragen Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin, wie es Ihm/Ihr geht, hören Sie zu …

#5 Reiten Sie nicht das tote Pferd

Ihre Beziehung steckt seit Jahren in der Dauerkrise? Bis hin zur Paarberatung haben Sie schon alles versucht? Dann ist vielleicht der Zeitpunkt gekommen, sich zu fragen, ob es wirklich noch einen Sinn macht, weiter an der Partnerschaft festzuhalten. Zu gehen ist keine Schande!

Trennungen sind immer schmerzhaft. Sie verlieren nicht nur eine wichtige Bezugsperson (meist haben Sie sie bereits lange vor der endgültigen Trennung verloren, wollen dies aber nicht wahrhaben), sondern Sie müssen sich auch von Idealen lösen, die Ihrem Leben Halt und Orientierung geboten haben.

Trennung

Viele Paare sehen das Ende von Langzeitbeziehungen als Scheitern und Versagen an. Vielleicht kann es an dieser Stelle hilfreich sein, Ihre Glaubenssätze weg von „Wir sind gescheitert“ hin zu „Wir hatten eine wunderbare gemeinsame Lebenszeit“ zu überdenken.

Fazit

Langzeitbeziehungen sind kein leichtes Unterfangen. Auch wenn der Romantiker in uns es gern so hätte, Liebe allein wird es in den wenigsten Fällen richten. Am Ende geht es immer wieder darum, ein ausgewogenes Maß an Arbeit einerseits und Gelassenheit andererseits zu haben.

Es geht darum, an Träumen und Idealen festzuhalten und doch gleichzeitig immer wieder einen realistischen Blick auf das Konstrukt Beziehung zu riskieren.

Und es geht darum, sich jeden Tag bewusst für den Anderen zu entscheiden. Also schreiben Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin vielleicht doch jetzt sofort eine nette Nachricht, rufen Sie an, kaufen Sie Blumen oder Konzertkarten, machen Sie den Abwasch … oder lesen Sie in meinem Artikel 3 wertvolle Tipps für eine glückliche Beziehung weiter ;-),

Sie leben schon lange mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin zusammen? Was sind Ihre Geheimtipps? Ich freue mich über Ihren Input in den Kommentaren.

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2 Kommentare

  1. O ja ich hatte drei Beziehungen über 3 Jahren die später einfach nur langweilig geworden sind. Genau wie im Beitrag beschrieben, man guckt sich frisch verliebte Pärchen an und denkt:
    „Es ist doch zwischen uns längst vorbei, aber wir sind doch so lange zusammen, es wäre jetzt schade es zu beenden“ Und wenn es dazu kommt ist es wirklich vorbei… Eine Langzeitbeziehung braucht Verständnis, Vertrauen, Respekt und man sollte miteinander reden,dass ist das wichtigste denn nur dann baut man vertrauen auf und es kann auf lange Strecken funktionieren. Ängste, Glück einfach alles miteinander teilen dann klappt es auch, wenn man sich in sich selber zurück zieht dann kann es auch nicht funktionieren. Wenn man offen ist und über alles mit dem Partner redet dann klappt auch alles andere.
    Liebe Grüße Sarina

    1. Liebe Sarina,
      Respekt und Vertrauen sind sicher zwei zentrale Bausteine. Und natürlich das Miteinanderreden. Menschen sind so unterschiedlich. Was dem einen wichtig ist, spielt für den anderen vielleicht kaum eine Rolle. Und was das eine Pärchen schön findet, findet ein anderes möglicherweise furchtbar. Wichtig ist ja am Ende nur, dass man sich öffnet und sich einig ist.
      Liebe Grüße, Annika

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