Tipps für mehr Selbstliebe Lesezeit ca. 7 Minuten

Was Selbstliebe braucht und was Sie für eine bessere Beziehung zu sich selbst tun können

Unsere Beziehungen prägen uns und machen uns ein Stück weit zu dem, der wir sind. In Familien, in Partnerschaften und bei Freunden suchen wir Liebe, Halt, Bestätigung, Rat u.v.m. Doch haben Sie schon einmal bewusst darüber nachgedacht, zu wem Sie eigentlich die längste und innigste Beziehung haben?

Richtig! Die längste und innigste Beziehung Ihres Lebens ist die zu sich selbst.

Sie täten also grundsätzlich gut daran, wertschätzend mit sich umzugehen. Oder würden Sie Ihre Mutter, Ihrem Freund oder Ihrer Schwester sagen: „Oh mein Gott, bist du dumm!“ Oder: „Deine Figur ist eine Vollkatastrophe. Man, bist du fett geworden.“?

Aber was sage ich Ihnen!? „Du musst dich (nur) selbst lieben“, haben Sie sicher schon in tausend Zeitschriften, Ratgebern etc. gelesen. Doch muss man sich wirklich grinsend vor den Spiegel stellen und hundert Mal am Tag „Ich liebe mich selbst sagen“, um sich selbst lieben zu können?

Schaden kann das sicher nicht, aber es gibt (zum Glück) noch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten. In diesem Beitrag habe ich fünf Selbstliebe-Tipps aus meiner Sicht als systemische Beraterin und Coach zusammengetragen. Vielleicht können Sie mit dem ein oder anderen ja etwas anfangen!? Lesen Sie selbst und probieren Sie es einfach aus.

# 1: Gleiches Recht für alle: Kümmer dich um dein inneres Team!

Wenn man so will, setzt sich unsere Persönlichkeit aus vielen verschiedenen Anteilen zusammen. Selbstliebe kann bedeuten, all diesen Anteilen einen Platz einzuräumen. Sie kennen das sicher auch: Wenn Sie z.B. darüber nachdenken, was Sie heute zum Mittag essen wollen, melden sich ganz unterschiedliche Stimmen zu Wort.

Da ist vielleicht der Aufpasser. Er sagt so etwas wie: „Keine Pizza. Denk an dein Gewicht.“ Oder der Genießer, der entgegnet: „Pizza ist aber viel leckerer als der olle Salat.“ Wenn Sie einmal in unterschiedlichen Situationen bewusst hinhören, werden Sie merken: Da gibt es noch viele mehr: Die Autonomiebedürftige, die Anlehungsgsbedürftige, die Ernste, die Ehrgeizige, der Faulpelz, das Kind …

Kreis mit vielen unterschiedlichen Schuhen.

Ich erlebe oft, dass Menschen einige Anteile ganz besonders mögen, andere wiederum so gar nicht. Letztere bleiben dann auf der Strecke. So ist es z.B. ganz großartig, diszipliniert zu arbeiten, aber ganz und gar nicht großartig, zu faulenzen und die Beine hochzulegen oder einmal ganz gehörig über die Stränge zu schlagen.

Selbstliebe bedeutet, sein inneres Team zu managen

Mein Tipp: Gönnen Sie ab und zu jedem Anteil etwas! Das bedarf ein wenig Übung, doch probieren Sie es noch heute aus und lauschen Sie nach Feierabend einmal ganz genau, welcher Ihrer Anteile was gern hätte. Stellen Sie sich das ganze wie eine Teamsitzung oder einen Familienausflug vor: Vermitteln Sie und finden Sie Kompromisse!

# 2: Keiner kennt dich besser als du: Vertraue dir!

Als Systemikerin gehe ich davon aus, dass Sie ein in sich geschlossenes System sind. Dies zeichnet sich (u.a.) durch folgende, grandiose Eigenschaft aus: Es ist schlau, und es weiß ganz genau, was es tut, um sich am Leben zu halten.

Das klingt zunächst etwas abstrakt, heißt aber im Prinzip nichts anderes als: Vertrauen Sie sich! Auch wenn Sie mit Depressionen kämpfen, überdurchschnittlich ängstlich sind, gern Beziehungen torpedieren oder Sie sich permanent über sich selbst ärgern: Sie „denken“ sich etwas dabei.

Sie sind bereits voller Selbstliebe, denn Sie wollen nur Ihr Bestes.

Vertrauen Sie darauf, dass Sie sich nicht selbst zerstören wollen, sondern dass Sie sich um jeden Preis selbst erhalten wollen! Und: Vergleichen Sie sich nicht mit anderen! Jeder Mensch ist ein kompexes Individuum mit seiner ganz eigenen komplexen Geschichte. Vergleiche können nur unfair ausfallen.

Hände formen Herz vor einem Sonnenuntergang.

Gerade wenn man komplett mit sich auf Kriegsfuß steht, ist es nicht leicht: Doch schauen Sie einmal genau hin, was die gute Absicht Ihrer Verhaltensweisen sein könnte.

Scheinbar negative Verhaltensweisen haben (fast) immer einen Nutzen.

Was könnte z.B. das Torpedieren von Beziehungen für eine Funktion für Sie erfüllen? Haben Sie bspw. schlechte Erfahrungen gemacht und können nun mit diesem Verhalten Nähe vermeiden, Ihre Autonomie stärken o.ä?

Versuchen Sie wertzuschätzen, dass Sie sich im Prinzip nur selbst helfen wollen. Das reicht Ihnen nicht? Das ist verständlich. Suchen Sie nach Verhaltensweisen, die Ihnen den gleichen oder einen ähnlichen Nutzen bringen, aber weniger schmerzhaft für Sie sind!

Stärken Sie Ihre Autonomie bspw. mit Grenzsetzungen, durch das Einstehen für Ihre Bedürfnisse oder ganz pragmatisch: mit einem tollen Job oder einem Hobby. Und wenn Sie dabei Unterstützung benötigen, scheuen Sie sich nicht, sich diese zu holen!

# 3: Glaub nicht alles, was du denkst: Überprüfe deine Glaubenssätze!

Wir alle tragen Glaubenssätze mit uns herum, die wir im Laufe unseres Lebens zu einem Teil unserer Persönlichkeit gemacht haben. Oft gehören sie schon so sehr zu uns dazu, dass wir sie bewusst gar nicht mehr wahrnehmen.

„Ich muss etwas tun, um geliebt zu werden. Wenn ich mich mag, bin ich arrogant. Ich bin nur etwas wert, wenn ich beruflich erfolgreich bin“ sind nur einige Beispiele hierfür.

Die Basis für Selbstliebe: Hemmende Glaubenssätze aufspüren und aufbrechen

Versuchen Sie einmal, bewusst auf solche Sätze zu achten! Gibt es einen Satz oder mehrere Sätze, die immer wiederkehren und Ihnen das Leben schwer machen?

Wenn ja, dann machen Sie sich bewusst, dass das nicht Ihre Sätze sind! Sie haben sie vielmehr von Eltern, Großeltern, Lehrern, Expartnern o.ä. übernommen. Selbst wenn Sie doch das Gefühl haben, dass es Ihre Sätze sind: Es müssen nicht Ihre bleiben. Gönnen Sie sich andere Glaubenssätze!

Übung

Für das Finden und Einüben neuer Glaubenssätze kann es hilfreich sein, sich einmal von Außen zu beobachten. Nehmen Sie sich hierfür ein Platzset, einen kleinen Teppich, ein Kissen o.ä. Legen Sie es in die Mitte des Raumes. Das sind Sie!

Und nun versuchen Sie einmal, sich möglichst neutral und ohne Ihre alte Glaubenssatzbrille anzuschauen: Was haben Sie schon alles erreicht? Was können Sie? Welcher neuer Glaubenssatz würde zu Ihnen passen, wenn Sie sich da so vor sich sehen?

# 4 Nett-Sein ist keine Einbahnstraße: Achte auf den Ausgleich!

Sie machen ständig Überstunden, um Ihre Kollegen oder Ihren Chef zu entlasten? Sie sind der/die Erste, der/die bei einem Freund mit Suppe auf der Matte steht, wenn er krank ist? Prima. Ihre Mitmenschen können sich glücklich schätzen, Sie in ihrem Leben zu haben. Das tun sie auch und geben Ihnen dementsprechend viel zurück: Sehr gut!

Für seine Bedürfnisse einstehen: Ein wichtiger Bestandteile der Selbstliebe

Vielleicht haben Sie die Tendenz, sich in toxischen Paarbeziehungen oder toxischen Freundschaften selbst zu verlieren ?

Dann zeigen Sie sich selbst, dass Sie sich etwas Wert sind! Stellen Sie sich schützend vor sich! Dabei geht es aus meiner Sicht als Beraterin weniger darum, plötzliche, erbarmungslose Grenzen zu setzen.

Buch Felber toxische Beziehungen
Wann ist eine Partnerschaft, Freundschaft oder die Beziehung zu Kolleg*innen sowie zu Familienmitgliedern (noch) gesund,
wann (schon) toxisch?

Kommunizieren Sie vielmehr ihre Wünsche! Ja, das dürfen Sie! Geben Sie Ihrem Gegenüber die Chance, sich zu revanchieren, und nehmen sie die Revanche an. Wenn Ihnen dies ganz besonders schwer fällt, lesen Sie doch noch einmal den dritten Tipp ;-). Möglicherweise kann es Ihnen helfen, Ihre Glaubenssätze zu überdenken.

Und bedenkene Sie bei allem, auch nett zu sich selbst zu sein! Veränderung zu wünschen und sich Gutes tun zu wollen, ist immer etwas Sinnvolles, aber versuchen Sie, dabei nicht in einen selbstschädigenden Optimierungswahn zu verfallen.

# 5 Wut bindet: Versöhn dich mit deinen alten Geistern!

Sie verspüren jede Menge Wut in sich? Möglicherweise hatten Sie eine traurige Kindheit? Ihre Eltern haben Ihnen nicht das gegeben, was Sie gebraucht hätten? Ihre beste Freundin hat sich vor drei Jahren abgewendet oder Ihr Exmann hat Sie betrogen?

Dann wird es vielleicht Zeit, sich die Wut einmal genauer anzuschauen, denn Sie ahnen es sicher schon: Sie tun sich mit Ihrem Groll dauerhaft keinen Gefallen!

Selbstliebe bedeutet, sich eine zweite Chance zu geben.

Schauen Sie einmal genau hin: Sind sie wirklich wütend oder sind sie traurig? Manchmal ist das gar nicht so leicht auseinanderzuhalten. Ganz egal, ob Wut oder Trauer: Lassen Sie Ihre Gefühle zu! Schauen Sie, was Sie noch brauchen, um Ihre Wut und Ihre Trauer loszulassen! Und dann: Lassen Sie los!

Geben Sie sich selbst eine Chance auf ein freies Leben, welches sich nicht an die Vergangenheit bindet, sondern sich in die Zukunft richtet. Zugegeben: Das ist ein sehr großer Schritt. Manchmal schafft man diesen nicht allein: Dann haben Sie den Mut, sich professionelle Hilfe, z.B. in Form eines Coachings, zu holen.

Der Komplimente-Check: Ein kleines Experiment für Ihre nächste Woche

Versuchen Sie doch einmal parallel zu den gelesenen Tipps Folgendes: Immer wenn Sie innerhalb der nächsten Woche ein Kompliment bekommen, dann lassen Sie es mit einem einfachen „Danke“ im Raum stehen.

Relativieren Sie nicht, kommentieren Sie nicht und geben Sie auch kein Kompliment zurück! Sie werden merken, dass das gar nicht so leicht ist, wie es klingt. Probieren Sie es aus!

Und wenn Sie Lust haben, schreiben Sie Ihre Erfahrungen dazu und/oder weitere Selbstliebe-Tipps in die Kommentare. Davon kann man ja nie genug haben 😉

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8 Kommentare

  1. Hallo ihr Lieben,
    Selbstliebe ist sehr wichtig, wirklich ein toller Beitrag von Dir, ich konnte noch einiges dazu lernen. Sehr gut geschrieben. Ohne Selbstliebe könnte ich gar nicht leben. Ich muss mich doch selber lieben und so akzeptieren, wie ich bin. Freut mich, das du darüber so offen und genial schreiben kannst.
    Liebe Grüße
    Maria

    1. Liebe Maria, vielen Dank für deine Rückmeldung! Ich freue mich, wenn du noch etwas dazu lernen konntest. Du hast absolut Recht: Selbstliebe ist so ein zentrales Thema, dessen Bedeutsamkeit für unser Leben (noch) oft unterschätzt wird, finde ich. Und ich denke: Man kann nie genug davon haben 😉
      Liebe Grüße und dir noch einen schönen Restsonntag, Annika

  2. Hallo Annika,
    sehr gut verfasster und ehrlicher Artikel! Ich habe auch einige Zeit gebraucht, bis es mir bewusst wurde und ich schließlich an mir gearbeitet habe. Eine tolle Familie, liebenswerte Freunde, ein verständnisvoller Partner sind wichtig für unser Leben. Das alles ist aber nur ein Bonus. Den Grundstein hierfür legen wir selbst, indem wir uns selbst zu schätzen und lieben wissen. Sobald diese „Beziehung“ passt, ergibt sich der Rest schon fast von allein. Denn glückliche Menschen ziehen andere an.

    Liebe Grüße und dir noch einen schönen Abend,
    Wiebke

    1. Liebe Wiebke, das hast du mit deinen Worten sehr gut getroffen und ich sehe das auch immer wieder in meinen Beratungen: Die Beziehung zu uns selbst ist der Grundstein für (andere) gute Bindungen. Für viele ist es, glaube ich, auch ganz schön schwer, sich dem Thema Selbstliebe zu widmen, weil erlernte Glaubenssätze fälschlicherweise Arroganz und Egozentrismus mit Selbstliebe gleichsetzen.

      Danke für deine Zeilen und deine Gedanken! Hab einen schönen Donnerstag mit dem eim oder anderen Moment der Selbstliebe 😉 Liebe Grüße, Annika

  3. Hallo,
    Ein wirklich ganz toller Beitrag zum Thema Selbstliebe. Die 5 Tipps sind wirklich grandios. Mein Favorit ist Nummer 3. Man sollte sich sehr stark mit seinen eigenen Glaubenssätzen auseinandersetzen. Weiter so!

    Liebe Grüße
    Jule

    1. Liebe Jule,
      vielen lieben Dank für dein positives Feedback!
      Und da hast du absolut Recht: Sich mit seinen Glaubenssätzen auseinanderzusetzen, kann sehr gewinnbringend sein 😉
      Liebe Grüße, Annika

  4. Wow, starke Seite.
    Ich habe sie auf der Suche nach Informationen über toxische Beziehungen entdeckt, und – naja – mit meiner Selbstliebe ist es aktuell nicht weit her. Also Danke für die sehr guten Tipps.
    Das mit den Glaubenssätzen ist mir nicht ganz neu, aber wie ich feststelle, immer wieder wichtig. Es ist schon verflixt schwer, negative Glaubenssätze durch positive zu ersetzen, erst recht, wenn die täglichen Erfahrungen die negativen Glaubenssätze nähren und zu bestätigen scheinen.
    Vielen Dank jedenfalls.
    Jonathan

    1. Lieber Jonathan,
      ich freue mich sehr über dein Lob. Danke schön 😉
      Ja, Glaubenssätze langfristig ändern zu wollen, braucht tatsächlich viel Zeit und Geduld. Mit „bestätigen scheinen“ hast du es sicher gut getroffen. Gern gaukeln uns die über Jahre oder gar Jahrzehnte antrainierten Glaubenssätze vor, dass „ihre Konstruktion“ von Realität die richtige sei. Da kann sich ein Blick aus der Metaebene und ein stetes Hinterfagen immer wieder lohnen 😉
      Liebe Grüße, Annika

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