Wie kann man eine toxische Beziehung retten Lesezeit ca. 7 Minuten

„Gehen oder bleiben?“: Kann man eine toxische Beziehung retten?

Als Marie Chris kennenlernt, schlägt die Liebe ein wie eine Bombe. Sie sind wie Romeo und Julia, Bonnie und Clyde, Victoria und David. Sie verbringen jede freie Minute zusammen und mit der ersten gemeinsamen Wohnung kann es gar nicht schnell genug gehen. Alles ist perfekt.

Seit der großen Verliebtheit ist einige Zeit ins Land gezogen und heute sitzt Marie völlig aufgelöst vor mir. Sie weiß nicht mehr, wann sie anfing, sich im emotionalen Dauerchaos zu verlieren. Sie weiß nur, dass alles plötzlich und schnell den Bach ´runterging und dass es schon eine ganze Weile her ist, dass sie glücklich war.

Und sie weiß, dass sie etwas ändern muss.

Kommt dir von Maries Geschichte etwas bekannt vor?

Fragst du dich auch, wie „das alles“ passieren konnte, warum es dir so schlecht geht und ob es noch Sinn macht, an deiner Beziehung festzuhalten?

Dann ist dieser Artikel vielleicht genau das Richtige für dich. Ich zeige dir, was gemeinhin unter einer toxischen Beziehung verstanden wird und ob du dich möglicherweise in einer solchen befinden.

Darüber hinaus versuche ich die Frage zu klären, die den meisten „Betroffenen“ auf der Seele brennt:

Kann man eine toxische Beziehung retten?

Um diese Frage zu klären, fangen wir am besten ganz von vorne an:

Was genau ist eine toxische Beziehung überhaupt?

Zunächst bleibt festzuhalten, dass es die eine Definition für toxische Beziehungen nicht gibt. Toxisch bedeutet erst einmal nichts anderes als giftig. Was nun ein einzelner Mensch in Beziehungen als giftig wahrnimmt und was nicht, kann sehr unterschiedlich sein.

So empfindet der Eine ständige Streitereien als toxisch, während der Nächste sich gern kabbelt und sich daran weniger stört. Der Nächste würde sagen, dass Eifersucht, mangelnde Nähe oder Distanz für ihn giftig sind.

Wie kann man eine toxische Beziehung retten
Toxische Beziehungen: Mehr Kummer als Glück

Es gibt es im Hinblick auf toxische Beziehungen also nicht nur schwarz und weiß, sondern auch jede Menge Grau, in dem Menschen sich unterschiedlich bewegen.

(In diesem Artikel habe ich mich kritisch mit dem Begriff „toxisch“ auseinandergesetzt.)

Dennoch habe ich im Rahmen meines Buchprojektes Du tust mir nicht gut! Toxische Beziehungen erkennen und sich aus ihnen lösen“ einen Versuch unternommen, toxische Beziehungen von nicht toxischen Beziehungen zu unterscheiden. Denn toxische Beziehungen sind m.E. so viel mehr als nur Beziehungen zwischen einer sogenannten Empath*in und einer und Narzisst*in.

Unter toxischen Beziehungen verstehe ich all jene Formen zwischenmenschlicher Beziehungen (Paarbeziehungen, Freundschaften, Beziehungen zu Kollegen und Eltern usw.), die einem oder beiden Beziehungspartnern dauerhaft physischen und/oder psychischen Schaden zufügen.
Sie sind gekennzeichnet durch einen Mangel an Gleichberechtigung und hindern einen oder beide Parteien daran, in der Beziehung ein ausgewogenes Maß an Autonomie und Bindung leben zu können. (Annika Felber, 2021)

(Hör gern mehr dazu in meinen Podcastinterviews beim Junfermann Verlag oder bei Let`s Flourish.)

Hinweise darauf, dass du dich in einer toxischen Beziehung befindest

Wenn es dir also wie Marie geht und du dich möglicherweise fragst, ob du dich in einer toxischen Beziehung befindest, könnten u.a. folgende Fragen für dich hilfreich sein:

  • Geht es mir in meiner Beziehung häufiger schlecht als gut?
  • Ist das „Gut-Laufen“ in meiner Beziehung an mein Verhalten geknüpft? Sprich: Verhalte ich mich „gut und richtig“, ist auch alles gut. Tue ich dies nicht, weist mein Partner mir die alleinige Schuld zu?
  • Weiß ich, dass meine Beziehung mir grundsätzlich schadet, und schaffe ich es trotz besseres Wissens nicht, die Beziehung nachhaltig zu verändern oder zu verlassen?
  • Treten bei mir in letzter Zeit vermehrt körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verspannungen, Herzrasen, Atemnot oder Magen-Darm-Probleme auf?
  • Werde ich in letzter Zeit von Familie und Freunden vermehrt darauf angesprochen, dass ich „nicht gut aussehe“?

Wenn du diese Fragen vermehrt mit Ja beantwortest, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass du dich tatsächlich in einer toxischen Beziehung befindest.

(Lies hierzu auch gern hier: Auswirkungen toxischer Beziehungen oder hier: Destruktive Beziehungsmuster erkennen und überwinden weiter.)

Toxische Beziehung was tun?
Toxische Beziehungen können krank machen.

Was kann ich tun?

Die Frage, ob und wie sich ihre Beziehung retten lässt, treibt die meisten „Betroffenen“ erfahrungsgemäß oft Monate oder auch Jahre um.

Vor kurzem erst hatte ich eine 72-jährige Frau in meinem Coaching, die sich seit nunmehr über 35 Jahren mit dieser Frage beschäftigt hatte, bevor sie sich Unterstützung holte.

Vielleicht hast auch du bereits alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt und alles Erdenkliche ausprobiert. Möglicherweise hast du damit bereits Fortschritte gemacht. Oder vielleicht trittst du auch schon eine gefühlte Ewigkeit auf der Stelle.

Kann man eine toxische Beziehung retten? Und wenn ja, wie?

Als Coachin und Beraterin begegne ich jeden Tag einer Vielzahl von Menschen. Kein Mensch gleicht dabei dem anderen. Und jede Paarbeziehung ist einzigartig.

Wenn du mich also fragst, ob sich toxische Beziehungen retten lassen oder nicht, kann ich darauf keine pauschale Antwort geben.

Dennoch gibt es m.E. einige Bedingungen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich deine Beziehung (noch) zum Guten wenden lässt.

Eine Garantie geben auch diese nicht, aber vielleicht lässt sich so viel sagen:

Ist eine dieser Bedingungen gar nicht gegeben, solltest du dich eher mit der Frage beschäftigen: Was hält mich in dieser Beziehung und was brauche ich noch, um zu gehen?

Beide Partner*innen müssen bereit sein,
an einer toxsichen Beziehung arbeiten.

Was du brauchst, um eine toxische Beziehung zu retten

Oberstes Gebot ist, dass beide Beziehungspartner folgende Punkte erfüllen!

  • Die Gewissheit, dass du deine Partner*in (noch) liebst.
  • Die Erkenntnis, dass eure Beziehung toxische Strukturen aufweist und dass sich etwas in eurer Beziehung ändern muss.
  • Die Bereitschaft, Verantwortung für sich und für die Beziehung zu übernehmen und sich die Themen der Beziehung und insbesondere die eignen Themen (z.B. Beziehungsmuster in Ex-Beziehungen und/oder in der Herkunftsfamilie) – möglicherweise auch mit professioneller Unterstützung – anzuschauen.
  • Den Willen kontinuierlich eigene Verhaltensweisen zum einen und die Beziehung zum anderen zu reflektieren.

Wann du dich besser trennen solltest

  • Du stellst immer wieder fest, dass du mehr in den Veränderungswunsch investierst als dein Gegenüber.
  • Bei deiner Partner*in bleibt es nur bei Worten. Kontinuierliche Taten bleiben aus.
  • Ihr bleibt als Paar immer wieder im Schuldzuweisungs-Teufelskreis gefangen und es gelingt euch nicht, Verantwortung für euer Handeln zu übernehmen.
  • Dein Bauchgefühl rät dir (vielleicht auch schon sehr lange) davon ab, die Beziehung weiter zu führen.
  • Dein Körper und/oder deine Seele senden dir immer wieder eindeutige Zeichen, dass du am Ende deiner Kräfte bist. (Mehr dazu findest du in meinem Beitrag „Auswirkungen von toxischen Beziehungen auf Körper und Seele“.)

Was dir helfen kann, um dich aus einer toxischen Beziehung zu lösen

Da sich eine toxische Beziehung u.a. eben genau dadurch auszeichnet, dass sich einer oder beide Beziehungspartner*innen in einer Abhängigkeitsspirale befinden, ist es häufig viel leichter gesagt als getan, sich aus einer solchen Beziehung zu lösen.

Toxische Beziehung: wann man sich trennen sollte
Es braucht viel Kraft, um sich
aus toxischen Beziehungen zu lösen.

Ein Patentrezept gibt es hierbei nicht. Dennoch gibt es m.E. zwei zentrale Aspekte, die helfen können, sich auf lange Sicht aus einer toxischen Beziehung zu befreien.

Selbstwert und Selbstvertrauen stärken

Zum einen kann es hilfreich sein, wenn du dich Themen wie Selbstwert, Selbstvertrauen und Selbstliebe widmest.

Erst wenn du es schaffst, den Fokus wieder auf deinen eigenen Wert und nicht auf den Wert des Gegenübers zu richten, kann es dir gelingen, dich dauerhaft aus einem destruktiven Beziehungsmuster zu befreien.

(Schaue hierfür doch auch gern einmal hier vorbei: 5 Tipps für mehr Selbstliebe 1.0 und 5 Tipps für mehr Selbstliebe 2.0)

Und erst wenn du dir selbst vertrauen kannst, kannst du den Glauben zurückgewinnen, auch ohne die (vermeintlich) große Liebe ein schönes Leben führen zu können.

Eigene Themen aufarbeiten

Möglicherweise warst du schon des Öfteren in toxischen Beziehungen gefangen. Doch auch wenn dies deine erste toxische Beziehung ist, kann es Sinn machen, sich mit der eigenen Vergangenheit – z.B. mit den eigenen Beziehungs- und Verhaltensmustern in früheren Beziehungen und/oder in der Herkunftsfamilie – auseinanderzusetzen.

Menschen tendieren dazu, altbekannte Muster zu wiederholen.

Wenn du es z.B. als Kind oder Jugendlicher gewohnt warst, nur dann Liebe von den Eltern zu bekommen, wenn du deine eigenen Bedürfnisse möglichst in den Hintergrund gestellt hast, kann es gut möglich sein, dass du dieses Verhalten in deiner jetzigen Beziehungen weiterlebst (vielleicht auch, ohne dies bisher bewusst bemerkt oder hinterfragt zu haben).

Du tust mir nicht gut
Weil toxische Beziehungen so viel mehr sind
als Paarbeziehungen zu Narzisst*innen

Fazit: Kann man eine toxische Beziehung retten?

Toxische Beziehungen haben viele Gesichter. Ob du dich in einer giftigen Beziehung befindest, kannst du schlussendlich nur selbst entscheiden.

Wenn du jedoch bemerkst, dass es dir (und/oder deiner Beziehungspartner*in) langfristig physisch oder psychisch schlecht geht, ist es möglicherweise an der Zeit, deine Beziehungsstrukturen zu verändern oder dich zu trennen.

Ob sich deine Beziehung (noch) retten lässt, ist von der Einsicht, der Bereitschaft und dem Willen beider Beteiligten abhängig.

Eine Garantie auf eine Rettung gibt es m.E. nicht, aber es gibt sozusagen eine Garantie darauf, wann es auf keinen Fall klappen kann. Hierzu zählen z.B. dauerhaft einseitige Bemühungen und Schuldzuweisungen, ohne Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist das eigene Bauchgefühl: Wenn du also immer wieder spürst, dass es besser wäre zu gehen als zu bleiben, dann solltest du dieses Bauchgefühl nicht dauerhaft ignorieren.

Fange am besten noch heute an, dich mit deinem eigenen Wert und deinem Vertrauen in dich selbst auseinanderzusetzen.

Auch ein Blick in die eigene Biografie kann hilfreich sein. Menschen tendieren dazu, gewohnte Muster und Rollen aus der Vergangenheit zu wiederholen – häufig auch ohne dies bewusst zu bemerken.

Solltest du bemerken, dass du auf lange Sicht deine Beziehung weder retten noch dich lösen kannst, solltest du dich nicht scheuen, dir Hilfe zu holen! Du bist mit diesem Problem wahrlich nicht allein.

(Wenn du noch mehr über die unterschiedlichen Erscheinungsformen toxischer Beziehungen wissen wollen, wirf doch gern einen Blick in meine Beitragsreihe „Toxische Beziehungen erkennen„.)

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8 Kommentare

  1. Toller Artikel!!
    Toxische Beziehungen zu erkennen und zu beurteilen ist in der Tat nicht so ganz einfach. Was für den Einen toxisch ist, muss nicht zwangsläufig für den Anderen auch so sein. Die Schwelle wie viel Menschen akzeptieren und erdulden können ist sicher auch sehr unterschiedlich. Aber grundsätzlich denke ich auch, wenn die Beziehung anfängt gesundheitsschädlich zu werden und die Streitigkeiten zu verletzend werden, sollte man sich wirklich ernsthafte Gedanken über eine Trennung machen.

  2. Danke für den Artikel.
    Ich war auf dem richtigen Pfad – hatte als Grundlage auch über „Emotionale Erpresser“ und Narzissten gelesen….
    Interessant war, dass die Partnerin in einer Mail von toxischen Momenten schrieb…. ich kannte den Begriff nicht.
    Sie als Narzisst hat nur nicht erkannt, dass sie die „giftigen Gefühle“ streute – ich durfte immer nur einstecken….
    Durch den neuen Begriff habe ich im Netz nachgelesen und diesen Artikel hier gefunden….
    Ich habe die Partnerschaft / Freundschaft gestern beendet, nachdem ein Gesprächsversuch nach 5 Minuten eskalierte.
    Mit diesem Wissen ist mir auch der Lebenslauf der Partnerin verständlicher geworden ( 3 gescheiterte Ehen, 18 Jahre ohne Partner, kaum Informationen über diese Lebensphase )….
    Ich zweifelte schon an mir, kannte ich doch all das Erlebte zuvor nicht.

    Nochmals Dank – ich weiß nun, ich bin in Ordnung…..

  3. Wenn Sie nicht so unglaublich weit weg wären, würde ich mich wirklich sehr gern mit Ihnen über toxische Beziehungen unterhalten. Ein klasse Artikel, er hat mir ein wenig Hoffnung gegeben, Danke dafür <3 Liebe Grüße

  4. Sehr schöner Artikel.
    Ich finde eine toxische Beziehung höchst schwierig. Leider litt ich selbst unter einer solchen. Es fiel mir soooo schwer mich zu trennen, weil ich garnicht gesehen habe, dass ich das „Opfer“ bin.
    Zum Glück hatte ich guten Halt von meiner Familie. Bis diese mich aber davon überzeugt hatten bzw. mir die Merkmale einer toxischen Beziehung aufzeigten vergingen einige Jahre.

    Dennoch bin ich überzeugt davon, dass dieser Mann sich ändern könnte, wenn er denn nur wollen würde. Leider stritt er alle Vorwürfe ab und eine Therapie kam für ihn überhaupt nicht infrage. Deshalb trennte ich mich schlussendlich und bin endlich wieder glücklich 🙂

    Ganz liebe Grüße
    Sabi

  5. Danke für diesen wertvollen Artikel. Für mich kann jede Beziehung gerettet werden, wenn beide das wollen. Es genügt jedoch anfangs sogar, wenn sich nur einer der beiden um die Rettung oder Verbesserung der Beziehung bemüht. Dieser eine beginnt die Beziehung aufzuarbeiten. Er durchleuchtet sie und erkennt das, was als toxisch erscheint. Er erlöst das toxische für sich. Dadurch gelangt er immer mehr in die Liebe zu sich selbst und diese Liebe erreicht dadurch auch die Beziehung. Der andere hat dann die Wahl: kann er mit der neuen Liebe seines Partners umgehen und schließt sich dem an, oder nicht. Durch diese Variante des Single-Heilens einer toxischen Beziehung stärkt man sein Selbstbewusstsein und erhöht gleichzeitig die Leibe zu sich selbst und damit zum Partner ohne sich dabei selbst zu verlieren.

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