Beziehung und Untreue tipss für Aufarbeitung Lesezeit ca. 8 Minuten

Das Thema Untreue ist im Rahmen meiner Paarberatungen ein trauriger „Dauerbrenner“.

Für die meisten Menschen liegt die Welt in Trümmern, wenn sie erfahren, dass ihr Partner ihnen untreu war. Die Verzweiflung über den empfundenen Hochverrat ist kaum zu ertragen. „Wie konnte er/sie nur!?“ Die gesamte Beziehung wird angezweifelt. Und die Liebe scheint rückblickend eine einzige Lüge gewesen zu sein.

Auf der anderen Seite sieht es oft nicht viel besser aus: Selbstvorwürfe, ein schlechtes Gewissen, Scham und Hilflosigkeit machen dem „Betrüger“ das Leben schwer.

Die gute Nachricht: Natürlich müssen weder Affären noch Fremdverlieben noch das Anmelden auf einer Casual Dating Seite (was für eine Wortschöpfung 😉 ) o.ä. zwangsläufig das Ende einer Beziehung bedeuten.

Die schlechte Nachricht: Nicht selten findet die Aufarbeitung „halbherzig“ und/oder unreflektiert statt und so kommt es am Ende dann häufig doch zum endgültigen Bruch.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen zeigen, welche Stolperfallen bei der Aufarbeitung von Untreue auftreten können und was Sie aktiv tun können, um – wie man immer so schön sagt – die Krise als Chance zu nutzen.

Wie die Aufarbeitung von Untreue gelingen kann

So unterschiedlich die Definitionen von Untreue sind (weitere Informationen hierzu gibt es z.B. in dieser Umfrage der Onlineplattform Parship), so unterschiedlich ist auch der Umgang mit dem Thema Fremdgehen in der Partnerschaft.

Pauschallösungen gibt es bei der Aufarbeitung eines Treuebruchs nicht. Allerdings begegne ich im Rahmen meiner Beratung immer wieder ähnlichen Stolperfallen, die einen ernstgemeinten Neuanfang erschweren bis nahezu unmöglich machen.

Das Wissen um diese möglichen „Fehler“ und das Beherzigen der folgenden Tipps werden nicht zwangsläufig Ihre Beziehung retten können, aber vielleicht finden Sie den ein oder anderen Anhaltspunkt, warum Sie gerade auf der Stelle treten.

Untreue: 5 nützliche Tipps & Aufgaben für die Aufarbeitung

#1 Sorgen Sie für Wiedergutmachung

Aus systemischer Sicht ist es wichtig, dass in einer Partnerschaft der „Ausgleich“ stimmt. Die Untreue einer Partei bringt das Beziehungsgleichgewicht empfindlich ins Wanken. Einer hat sich sozusagen etwas geleistet, was den anderen ins (emotionale) Nachtreffen bringt.

Das klingt für die meisten Menschen zunächst eher nach einer unromantischen Kosten-Nutzen-Rechnung als nach einer emotionalen Aufarbeitung. Ich weiß, dass es zunächst schwer ist, sich auf eine reflektierte und geplante Wiedergutmachung einzulassen. Doch vielleicht geben Sie ihr einfach einmal eine Chance!?

Wiedergutmachung_Beziehung retten nach Untreue

Wenn die Verletzung von beiden Parteien gewürdigt und nicht einfach übergangen wird, wenn es die Möglichkeit einer (wie auch immer gearteten) echten Buße gibt, ist ein Neuanfang auf Augenhöhe und ohne jahrelange Vorhaltungen oder Dauer-Schlechtes-Gewissen um ein Vielfaches wahrscheinlicher.

Aufgabe: Der Pakt der Wiedergutmachung

Hierfür überlegt sich der Betrogene etwas, von dem er denkt, dass es für ihn eine (kleine) Wiedergutmachung für die Untreue seines Partners sein könnte. Der Phantasie ist an dieser Stelle keine Grenze gesetzt.

Für den einen kann eine Wiedergutmachung bedeuten, dass er auch einen „Freifahrtschein“ bekommt oder dass er ein halbes Jahr lang freien Zugang zum Handy des Partners hat.

Der nächste wünscht sich, dass er seinen Partner interviewen darf so oft und lange er will. Und wieder jemand anders wünscht sich möglicherweise schlicht einen langen Urlaub.

Suchen Sie nach einer Wiedergutmachung, die für beide Partner in Ordnung ist. Auch der Betrüger sollte gut überlegen, ob ihm die Buße zu viel oder vielleicht auch zu wenig erscheint.

Lassen Sie sich ruhig Zeit bei Ihrem Pakt. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass Sie dabei ins produktive, nach vorn gerichtete Gespräch kommen.

(Vielleicht könnte dieser Beitrag auch interessant für Sie sein: 5 hilfreiche Tipps für Langzeitbeziehungen)

#2 Schauen Sie genau hin, ob Sie wirklich verzeihen können

Nicht selten bleibt nach einem Betrug die Dynamik des Guten und des Bösen in der Beziehung erhalten. Über die Zeit findet häufig sogar eine vermehrte Verfestigung der Rollen statt (ein Grund hierfür kann die nicht erfolgte Wiedergutmachung sein).

Beziehung und Betrug Aufarbeitung

Der Betrogene kann keinen Schlussstrich ziehen. Möglicherweise verfällt er dauerhaft in einen Kontroll- und Eifersuchtswahn und/oder kann auch nach Monaten quälende Fragen wie

  • Wann hat das alles angefangen?
  • Wann wurde ich wie angelogen?
  • Weiß ich wirklich alles?
  • Wo und wie genau hat der Sex stattgefunden?
  • Wie sah mein Partner während des Orgasmus aus?
  • Waren wirklich keine Gefühle im Spiel?

nicht gut sein lassen. Vielleicht sperrt er sich auch gegen Intimität und Sexualität, um den anderen weiterhin abzustrafen. Selten passiert das bewusst. Und genau da ist der Knackpunkt:

Seien Sie nach einem Beziehungsbruch besonders aufmerksam und reflektieren Sie Ihr Verhalten.

Das gilt ebenfalls für „die andere Seite“. Häufig kann der Betrüger sich seinen eigenen Fehler nicht verzeihen, zerfleischt sich mit Selbstvorwürfen, setzt keine Grenzen und verharrt in der ewigen Bittsteller-Rolle.

Aufgabe: Was fehlt, um verzeihen zu können?

Überlegen Sie, was Sie brauchen, um sich bzw. dem Partner verzeihen zu können. Machen Sie sich eine Liste:

Was muss noch stattfinden ? Ist das Nicht-Verzeihen Ihr eigenes Thema? Oder kann Ihr Partner noch etwas tun, um Ihnen zu helfen? Wenn ja, was?

Seien Sie so konkret wie möglich.

Am besten beginnen Sie erst einmal für sich. Beziehen Sie im zweiten Schritt Ihren Partner mit ein. Kommen Sie ins Gespräch. Sammeln Sie Ideen. Und vor allem: Seien Sie ehrlich mit sich und Ihrem Gegenüber!

#3 Lassen Sie Ihre Kernprobleme nicht unberührt

Sie haben Ihre Wiedergutmachung erhalten, Sie haben sich verziehen und doch kommt die Aufarbeitung ins Stocken?

Zunächst einmal vorweg: Die Binsenweisheit „Dann war vorher schon etwas im Argen in der Beziehung“ muss nicht zwangsläufig zutreffen. Die Gründe für Untreue sind so unterschiedlich, wie wir Menschen es sind.

Fremdgehen in Beziehungen_ Der Blick nach vorn

Dennoch kann sich in fast allen Fällen (und zwar nicht erst nach der Untreue eines Partners 🙂 ) ein Blick auf mögliche Probleme in der Beziehung lohnen. Zu den „Dauerbrennern“ zählen z.B.

  • Defizite im Sexualleben (laut einer Studie der Universität Götingen ist dies der häufigste Grund für Untreue)
  • mangelnde Intimität im Alltag
  • eingeschlafene Kommunikation
  • keine gemeinsamen Aktivitäten/Interessen mehr
  • Gleichgültigkeit gegenüber der Gefühlswelt und den Bedürfnissen des Anderen

Ignorieren Sie mögliche Probleme nicht. Jetzt ist ein guter Moment, sie anzugehen.

Aufgabe: Beziehungs-Visonen

Wenn Sie Ihre Probleme erörtert haben, versuchen Sie einmal, den Blick nach vorn zu richten. Setzen Sie sich zusammen und erstellen Sie gemeinsam ein Vision Board:

Was wünschen Sie sich zukünftig von Ihrer Beziehung? Wie sieht Ihre jeweilige Wunschbeziehung aus? Was sind Ihre sexuellen Wünsche? Was können gemeinsame Ziele und Projekte sein?

Und dann überlegen Sie gemeinsam so konkret wie möglich, was Sie tun können, um dort hinzukommen, wo Sie gern hin möchten.

Wenn Sie bei der Frage nicht so richtig ins Rollen kommen, kann es hilfreich sein, die Frage zunächst umzudrehen: Was müssten Sie tun, um Ihre Probleme zu verschlimmern?

(Schauen Sie doch auch gern einmal hier vorbei: Trennen oder bleiben? 7 Fragen als Entscheidungshilfe)

#4 Kümmern Sie sich um Ihren Selbstwert

Nach einem Treuebruch leidet der Selbstwert beider Parteien zumeist massiv. Achten Sie nun ganz besonders auf sich und tun Sie sich etwas Gutes, wann immer es geht.

Untreue und Aufarbeitung

Aufgabe: Raus aus der Lähmung

Für den Betrogenen gilt u.a. insbesondere:

  • Halten Sie Ihr Kopfkino im Zaum
  • Verschonen Sie sich möglichst mit Details aus endlosen Gesprächen und Verhören (sie bringen nur zusätzliches Leid, nicht die erhoffte Kontrolle)
  • Überwinden Sie Ihre Ohnmacht und die vermeintliche Opferrolle: Verkriechen Sie sich nicht, gönnen Sie sich etwas, beginnen Sie ein lang ersehntes Hobby, gehen Sie zum Sport, machen Sie einen Kurztrip etc.
  • Pflegen Sie Ihre Selbstliebe intensiver denn je (vielleicht können an dieser Stelle meine beiden Beiträge Selbstliebe und Selbstliebe 2.0 dabei behilflich sein)

Für den Betrüger kann u.a. Folgendes hilfreich sein:

  • Halten Sie Ihr schlechtes Gewissen im Zaum
  • Lassen Sie sich nicht dauerhaft von sich selbst oder Ihrem Umfeld zum Sündenbock stilisieren (Reue ist gut – Zerfleischen bringt niemanden voran, schauen Sie auch auf das, was Sie Ihrem Partner über die Jahre Gutes getan haben)
  • Setzen Sie Grenzen (nur weil Sie einen Fehler gemacht haben, müssen Sie nicht Ihre gesamte Privatsphäre freigeben; auch tagelange Verhöre müssen Sie nicht über sich ergehen lassen)
  • Pflegen Sie Ihre Selbstliebe intensiver denn je (vielleicht können an dieser Stelle meine beiden Beiträge Selbstliebe und Selbstliebe 2.0 dabei behilflich sein)

#5 Hören Sie auf sich, nicht auf die Anderen

„Wenn er/sie dich betrügt, dann liebt er dich auch nicht!“ „Also, ich wäre längst gegangen.“ Vielleicht haben Sie solche oder ähnliche Sätze in letzter Zeit oft gehört und sie haben Sie immer wieder verunsichert.

Treuebruch_Findet euren eigenen Weg

Bleiben Sie bei sich und bei Ihrer Beziehung. Sie allein entscheiden, was Sie bereit sind zu tun und was nicht. Sie definieren Betrug. Sie definieren Wiedergutmachung. Sie definieren eine glückliche Beziehung.

Menschen sind komplex und individuell, Beziehungen folgerichtig ebenso.

Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl und lassen Sie sich nicht verunsichern! Am Ende müssen Sie am Abend im Bett liegen, die Augen schließen und denken: „Ich habe heute alles richtig gemacht!“

Aufgabe: Gutgemeinte Ratschläge? Nein, danke!

Freunde, Familie, Arbeitskollegen: Alle wollen Ihnen helfen. Alle haben gute Ratschläge und Lebensweisheiten parat. Sicher meinen sie es gut und es ist schön, dass sie Ihnen helfen wollen.

Und doch: Wenn Ihnen das alles zu viel wird, lernen Sie, ‚Nein‘ zu sagen. Setzen Sie Grenzen! Sie müssen sich weder jeden gutgemeinten Ratschlag von Karl-Heinz anhören noch müssen Sie sich für das, was Sie tun oder auch nicht tun, rechtfertigen. Schützen Sie sich in dieser Zeit ganz besonders. Ihr angeschlagenes Ego wird es Ihnen danken.

Untreue in Beziehungen: Fazit

Es gibt keinen richtigen und keinen falschen Weg für die Aufarbeitung von Untreue. Dafür sind Beziehungen viel zu komplex und zu individuell.

Dennoch sind Themen wie Wiedergutmachung, echtes Verzeihen-Können, das Kümmern um bestehende Beziehungsprobleme, das Arbeiten am angeschlagenen Selbstwert und die Abgrenzung nach Außen immer einen Blick wert.

Liebe Untreue Neuanfang

Wenn Sie neu anfangen wollen, versuchen Sie, die Kränkungen der Vergangenheit zu würdigen, aber verlieren Sie sich nicht im detaillierten Blick nach „hinten“! Schauen Sie gemeinsam nach vorn! Widmen Sie sich Lebensträumen, Wünschen, Visionen, Projekten usw.

Sie kommen zu zweit nicht weiter, obwohl Sie sich sehr lieben und unbedingt zusammenbleiben wollen? Dann scheuen Sie sich nicht, sich professionelle Hilfe zu holen. Manchmal kann ein neutraler Beobachter und Vermittler hilfreich und heilsam sein.

Sollten Sie jedoch merken, dass Sie Ihrem Gegenüber trotz aller Bemühungen nicht verzeihen können, zwingen Sie sich nicht dazu. Wenn 50 Prozent aller Menschen fremdgehen, bedeutet das im gleichen Atemzug, dass es die anderen 50 nicht tun.

Und sollten Sie zu den Menschen gehören, die bei aller Liebe aus den unterschiedlichsten Gründen nicht treu sein können, schämen Sie sich nicht dafür und suchen Sie vielleicht nach anderen Bindungen. Es gibt viele Möglichkeiten, Beziehungen zu leben – und das Konzept der Monogamie ist nur eines davon.

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2 Kommentare

  1. Hallo Annika. Mich hat’s jetzt schon zweimal erwischt. Beim ersten Mal war ich zu Jung und unerfahren mit dem Betrug umzugehen. Jetzt beim zweiten Mal habe ich es besser machen können. Ich konnte verzeihen. Habe mit meiner Frau viel geredet. Was nach 15 Jahren Und 10 Jahren Ehe eingeschlafen war. Wir führen seit dem jede Woche ein Zwiegespräch. Es wirkt Wunder. Dein Beitrag ist Bombe. Den hätten wir auch gern vor einem Jahr gehabt. Aber …. wir haben es geschafft. Mach weiter so. Dein Beiträge sind super. Gruß André aus alten Zeiten ?

    1. Hey André, vielen Dank für deine offenen Worte und für das Lob, über das ich mich natürlich sehr freue 😉

      Untreue ist kein leichtes Thema und oft ein Tabuthema (und das obwohl unzählige Beziehungen davon „betroffen“ sind). Toll, dass ihr es geschafft habt und nun regelmäßig „im Gesprächskontakt“ seid (das ist ja im Alltag und nach so vielen Jahren oft gar nicht so einfach)! Das war sicher alles nicht leicht, zeigt ja aber einmal mehr, dass es auch nach einer Enttäuschung in der Beziehung wieder schön werden kann. Ganz iebe Grüße aus Kiel – auch an deine Frau 😉

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