Die Liebe ist wohl eines der schönsten Dinge, die uns das Leben zu bieten hat. Kein Wunder also, dass sich laut einer GEO-Umfrage rund 80 Prozent der Deutschen eine glückliche Beziehung wünschen.
Und doch geraten (fast) alle Paare früher oder später in die ein oder andere Beziehungskrise. Denn Liebe ist leider nicht nur schön, sondern sie kann auch durchaus vergänglich sein. Und selbst dann, wenn sie es nicht ist, ist sie nicht zwangsläufig ein Schutzschild gegen die kleinen und großen Sorgen unseres Alltags.
Nicht selten stellt sich daher im Laufe einer Beziehung die Frage: „Trennen oder bleiben“?
Auch wenn viele es sich wünschen würden: Auf diese Frage gibt es keine objektiv richtige oder falsche Antwort. Niemand kann einem Paar diese schwere Entscheidung abnehmen. Dafür sind Beziehungen viel zu komplex und zu individuell (ich finde es immer wieder spannend, dass noch nie zwei Menschen mit exakt der gleichen Problematik in meine Coachings gekommen sind).
Doch auch wenn Ihnen Ihre Entscheidung niemand abnehmen kann, so gibt es erfahrungsgemäß dennoch einige Orientierungspunkte, die Rückschlüsse über „den Zustand“ Ihrer Beziehung geben können.
Einige davon habe ich in diesem Beitrag zusammengetragen. Vielleicht können Sie Ihnen ja dabei helfen, Ihre ganz persönliche Antwort auf die Frage „Trennen oder bleiben“ zu finden!?
„Trennen oder bleiben?“ 7 Fragen, die Ihnen bei der Entscheidungsfindung helfen können
# 1 Gehen Sie (noch) respektvoll miteinander um?
Respektlosigkeiten sind Gift für die Liebe. Sie sind verletzend und schmerzhaft und nicht selten der Anfang vom Ende. Damit ist nicht gemeint, dass Ihnen nicht einmal ein „A…loch“ herausrutschen darf, wenn Sie so richtig in Rage sind. Eine Respektlosigkeit macht noch lange keine Trennung.
Wenn Sie sich allerdings tagtäglich mit Beschimpfungen unter der Gürtellinie befeuern, dann ist das keine gute Basis für eine Beziehung. Auch Demütigungen und bewusst böswillige Manipulationen sind ein ernstzunehmendes Alarmzeichen.
Wenn Ihr Partner z.B. immer wieder in empfindlichen Wunden bohrt, die Sie ihm in einem stillen Moment anvertraut haben oder er Sie gar vor Dritten bloßstellt, kann es Sinn machen, sich mit dem Thema Trennung näher auseinandersetzen.
(Wenn Respektlosigkeiten und Demütigungen (vielleicht auch einseitig) in Ihrer Beziehung überhand genommen haben, könnte auch dieser Beitrag über toxische Beziehungen interessant für Sie sein.)
# 2 Sind Sie sich gleichgültig geworden?
Interessieren Sie sich noch dafür, wie es Ihrem Partner geht und was er so treibt? Können seine Gefühle – ganz gleich ob Trauer, Verzweiflung oder Wut – Sie noch „berühren“? Oder ist Ihnen (mittlerweile) alles egal, weil Sie sich tief im Inneren bereits aufgegeben und verabschiedet haben?
Wenn Ihr Partner Sie nur noch nervt und Sie froh sind, wenn Sie sich den ganzen Tag mit den Kindern beschäftigen können oder wenn Sie sich hinter Ihrer Arbeit verschanzen können, um nicht nach Hause zu müssen. Wenn Berührungen und Intimitäten (physischer und emotionaler Natur) Sie nicht mehr erreichen können oder Sie sogar stören, dann wird es vermutlich sehr schwer, Ihre Beziehung noch einmal (allein) zu kitten.
Verdeckte Konflikte als Ursache für Demütigungen und Gleichgültigkeiten
Manchmal sind mangelnder Respekt, Gleichgültigkeit und Gereiztheit das Resultat tiefer Kränkungen und unausgesprochener (häufig auch sexueller) Konflikte.
Wenn Sie sich als Paar noch eine Chance wünschen, sollten Sie unbedingt über diese Dinge sprechen und gemeinsam eruieren, ob es Ihnen – vielleicht auch mit Hilfe einer professionellen Begleitung – gelingen kann, Ihre Konflikt zu lösen und noch einmal „bei Null“ anzufangen.
# 3 Haben Sie sich „Fehler“ aus der Vergangenheit wirklich verziehen?
Niemand ist unfehlbar und in (fast) jeder Beziehung kommt es irgendwann einmal zu Handlungen oder Worten, die das Gegenüber zutiefst kränken und verletzen.
Vielleicht hat Ihr Partner Sie niemals vor seiner Mutter verteidigt, oder er hat sich gegen Kinder entschieden, obwohl Sie gern welche wollten, oder er hatte einen Fehltritt nach der Betriebsfeier oder was auch immer es da sonst in Ihrer gemeinsamen Vergangenheit gibt.
Denken Sie einmal ganz in Ruhe darüber nach, welcher „Fehltritt“ Ihrem Partner im Laufe Ihrer Beziehung unterlaufen ist. Und dann fragen Sie sich: „Habe ich ihm wirklich verziehen?“ Oder andersherum: Gibt es vielleicht etwas, das Ihr Partner Ihnen nie wirklich verziehen hat – ganz gleich wie lange es schon her ist und wie sehr Sie es auch bereut haben?
Wenn ja, dann sollten Sie sich unbedingt die Frage stellen, ob Sie zukünftig bereit sind, Ihrem Partner seine „Fehltritte“ wirklich zu vergeben bzw. ob Sie wirklich bereit sind, damit zu leben, dass Ihr Partner Ihnen nicht vergibt.
Ansonsten laufen Sie höchstwahrscheinlich Gefahr, in einen (manchmal auch subtilen) „Wie-du-mir, so-ich-dir-Modus“ zu verfallen. Und dieser kann über die Jahre wahrlich Schlimmes anrichten.
(Vielleicht könnte dieser Beitrag über die Aufarbeitung von Untreue interessant für Sie sein.)
# 4 Sind Sie aus Angst vor dem Alleinsein mit Ihrem Partner zusammen?
Immer wieder erlebe ich, dass Menschen aneinander festhalten, weil sie Angst vor dem Alleinsein haben. Wir sind alle soziale Wesen, Bindungen und Beziehungen machen uns aus und verständlicherweise ist niemand gern allein.
Wenn Angst jedoch der größte Motor ist, der Ihre Beziehung antreibt, besteht die Möglichkeit, dass Sie sich dauerhaft selbst verlieren und sich schaden. Denn Angst tut vor allem eins: Sie lähmt und sie verschleiert die Sicht.
Beobachten Sie doch einmal Ihren Partner, wenn er am Frühstückstisch sitzt. Vielleicht schauen Sie Ihm auch einmal tief in die Augen und dann fragen Sie sich: „Kann ich zu diesem Menschen noch ganz bewusst „Ja“ sagen, oder sind diffuse Motive, wie z.B. Angst vor dem Alleinsein, der Kitt, der mich an diesen Menschen bindet?“
(Wenn Sie sich vor dem Alleinsein fürchten, könnte mein Beitrag über Selbstliebe ja vielleicht auch etwas für Sie sein!?)
# 5 Hat Ihr Umfeld (Eltern, Freunde oder „die Gesellschaft“) Ihnen vermittelt, dass Trennung keine Option ist?
Eine weitere Angst, die Menschen in „ausgelebten“ Beziehungen hält, ist die Angst vor dem Scheitern.
So haben wir (fast) alle mehr oder weniger im Laufe unserer Sozialisation gelernt, dass man zusammenbleibt, bis dass der Tod einen scheidet. Trennen oder bleiben ist damit schnell beantwortet. Möglicherweise haben Ihre Eltern Ihnen auch Glaubenssätze wie: „Man gibt niemals auf“ mit auf den Weg gegeben.
Denken Sie einmal zurück, gibt es da solche oder ähnliche Glaubenssätze in Ihrem Kopf?
Vielleicht möchten Sie auch vor dem Freundeskreis nicht als Versager-Paar dastehen, hielten doch alle Sie immer für das Dream-Team. Oder Sie haben Angst, derjenige zu sein, der die Beziehung beendet, weil Sie sich sorgen, Ihre Clique zu verlieren?
Erlauben Sie sich doch einmal den Luxus, Ihre mögliche Prägung und Ihr gesamtes Umfeld (inkl. aller gut gemeinten Ratschläge) aus Ihren Gedanken auszuschließen. Stellen Sie sie sinnbildlich beiseite, indem Sie sie bspw. in den Garten schicken.
Was würden Sie tun, wenn Sie ganz allein entscheiden könnten und dürften? Würden Sie sich trennen oder würden Sie bleiben?
Beziehung ist kein Wettbewerb
Wenn Sie drei, dreizehn oder dreißig schöne Jahre mit ihrem Partner hatten: Wie wollte man dann von Scheitern sprechen können? Die schönen Jahre sind nicht weniger schön, nur weil sie Vergangenheit sind!
Und die Liebe ist kein Wettbewerb, an dessen Ende es eine Medaille für den gibt, der am längsten durchhält. Sie haben nur dieses eine Leben. Erlauben und gönnen Sie sich selbst, Entscheidungen in Ihrem eigenen Sinne zu treffen!
# 6 Leiden Ihre Kinder unter Ihrer Beziehung?
Als Erwachsene bilden wir uns oft ein, ganz genau zu wissen, was gut für (unsere) Kinder ist. Und eine Trennung gehört ganz sicher nicht dazu. Dieser Hypothese möchte ich ganz sicher nicht in Gänze widersprechen:
Eine Trennung ist für niemanden schön und für Kinder ist sie noch einmal ganz besonders schlimm; bedeutet sie doch einen enormen, unbeeinflussbaren Einschnitt in ihr bisheriges Leben.
Dennoch bringt die Angst davor, die Kinder mit einer möglichen Trennung zu traumatisieren, nicht selten die Gefahr mit sich, dass der Blick für die momentane Situation der Kinder aus dem Blick gerät.
Vielleicht sagt Ihnen bereits Ihr Bauchgefühl, dass die Kinder extrem darunter leiden, wie Sie miteinander umgehen. Wenn dem nicht so ist: Beobachten Sie Ihre Kinder einmal ganz genau oder sprechen Sie mit ihnen, wenn sie schon etwas älter und reifer sind.
Kinder sind in ihrer Wahrnehmung nicht zu unterschätzen. Ihr Empfinden ist oft ein sehr guter Indikator für den „tatsächlichen Zustand“ einer Beziehung. Sie spüren zumeist sehr genau, wie wir miteinander umgehen und was wir fühlen. Auch wenn wir es vielleicht gar nicht bemerken.
#7 Lieben Sie Ihren Partner noch?
Dies ist die wohl wichtigste Frage, die Sie sich stellen sollten, wenn Sie vor der Frage trennen oder bleiben stehen. Sie kommt so klein und unauffällig daher, ist aber erfahrungsgemäß für die meisten Paare die schwierigste Frage von allen. Wie sieht es bei Ihnen aus? Was ist Ihre Antwort?
Bedeutet das Ende einer Liebe immer das Ende einer Beziehung?
Nicht selten werde ich im Rahmen meiner Paarberatung gefragt, ob ich glaube, dass man Liebe wiederbeleben kann. Weder mein theoretischer Hintergrund noch meine Expertise als Mensch erlauben mir, auf diese Frage eine abschließende Antwort zu geben.
Diese Frage kann sich nur jeder selbst beantworten.
Trennen oder bleiben? Ein kurzes Fazit
Die Liebe ist ein wertvolles Gut, das man sicher nicht einfach so verschleudern sollte (wenn Sie sich fürs Bleiben entschieden haben, schauen Sie doch gern in die Beiträge drei wertvolle Impulse für glückliche Beziehungen und fünf hilfreiche Tipps für Langzeitbeziehungen herein). Und doch ist es für niemanden erfüllend, dauerhaft ein totes Pferd zu reiten.
Niemand auf der Welt kennt Sie und Ihre Beziehung so gut wie Sie selbst. Hören Sie auf Ihren Bauch, Ihre innere Stimme oder wie auch immer Sie es nennen wollen. Meine Erfahrung als Beraterin und Coach hat mir gezeigt, dass Menschen die Antworten auf Ihre Fragen (fast) immer bereits in sich tragen.
Gehen Sie in die ehrliche Reflexion mit sich und Ihrem Partner. Sollte dies schwierig für Sie sein, dann suchen Sie einen Vermittler. Scheuen Sie sich nicht, sich professionelle Unterstützung zu suchen.
Diese wird Ihnen nicht die Frage beantworten, ob Sie sich trennen sollten oder nicht, aber sie wird Ihnen helfen können, Ihre ganz persönliche Antwort zu finden.